Die uralte Metropole 03 - Lumen by Marzi Christoph

Die uralte Metropole 03 - Lumen by Marzi Christoph

Autor:Marzi, Christoph [Marzi, Christoph ]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-02-27T05:00:00+00:00


Kapitel 5

Spuk

»Sie werden uns töten!«, dachte Aurora, als sie die auf sie herabstürzenden Engel erblickte. Weder Gnade noch Mitleid lebten in diesen Kreaturen, nur dunkle Eisesleere. Voller Verzweiflung wandte sich das Mädchen an Eliza. »Was sollen wir jetzt tun?« Ihre Stimme überschlug sich, und Neil, der an ihrer Seite stand, fügte hinzu: »Wir sitzen in der Falle!« Aurora dachte daran, dass sie gemeinsam mit Neil sterben würde, tief in der Hölle. Hatte Maurice Micklewhite ihr nicht einmal gesagt, dass jemand, der im Beisein eines lieben Menschen stirbt, die Ewigkeit niemals allein erleben muss? Sie fragte sich, ob es ein Trost war, dies zu wissen, oder gar eine Bürde. Wie auch immer, die Zeit lief ihnen allen davon. »Wir sollten uns etwas einfallen lassen.«

Kreischende Raubvogelschreie zerrissen die Luft.

Die Mala’ak ha-Mawet hielten seltsam geformte Schwerter in den Händen, deren Klingen aus Eis zu sein schienen, unter dessen Oberfläche sich noch etwas bewegte.

»Wasser«, hörte Aurora den Engel Sariel sagen, »ist seit Anbeginn der Zeit ihr Element.« Das Feuer in des Engels Augen flackerte auf.

Eliza rief El-Khamsin etwas in einer fremden Sprache zu, und der Teppich sank ein wenig tiefer, als ob dies eine Lösung für ihre Probleme wäre. Er schwebte langsam abwärts und machte keine zwei Meter über dem tiefen Schnee Halt.

»Wir sitzen in der Falle«, wiederholte Neil, trat an den Teppichrand und sah nach unten. Wind blies ihm ins Gesicht und zerzauste das blonde Haar.

»Sie werden uns kriegen.«

»Seid still!«, herrschte Eliza sie alle beide an, und in diesem Moment war sie mit einem Mal wieder Madame Snowhitepink. So kalt und beherrscht, wie sie es damals im Waisenhaus gewesen war. Sie war mehr Lilith als Eliza, wenn sie wütend und ungeduldig war.

Wie leicht, fragte sich Aurora, lässt man sich von einem Menschen täuschen? Sie musste an die Dinge denken, die Emily ihr auf den Treppenstufen erzählt hatte. Nun, da Elizas Augen zu denen Liliths wurden, erwachten all die unguten Mutmaßungen und Befürchtungen zu neuem Leben.

»Wir springen nach unten!« Neil fasste Aurora bei der Hand. Eliza beachtete der Junge gar nicht mehr.

»Dort hinunter?«

Er nickte. »Was bleibt uns anderes übrig?«

»Da unten ist …«

»Getier?«

Treffender hätte er es kaum in Worte fassen können.

»Ja, verdammt noch mal.«

Getier.

Nekir.

Was auch immer.

Er packte sie an den Schultern.

Sah ihr tief in die Augen. »Und dort oben?«

Aurora hörte den nächsten kreischenden Raubvogelschrei.

»Ist gut!«

Für den Bruchteil einer Sekunde standen sie am Rand des Teppichs, die Wüstenei, die hier ein Schneefeld zwischen den Dünen war, unter sich. »Der Schnee wird den Sturz mildern.« Neil schien sich seiner Sache wirklich äußerst sicher zu sein. Abermals schaute er Aurora in die Augen. »Vertrau mir!« Dann sprangen sie vom Teppich, und Eliza rief ihnen etwas hinterher, was aber keiner von ihnen beiden verstehen konnte, weil die Schreie der Mala’ak ha-Mawet an Lautstärke gewannen, je näher sie dem Teppich kamen. Die Kälte, die den Gabrielskriegern vorauseilte, hatte Aurora bereits gestreift.

Ihre Haut.

Ihr Herz.

Dann war die Kälte fort und machte einer anderen Kälte Platz. Einer Kälte, die eine Winterkälte war und die das Mädchen kannte. Eine Kälte, die einen nicht an die Ewigkeit in dunklen Verliesen und Einsamkeit denken ließ.



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